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Tales of Autumn 

solo exhibition 2016 - Kunstverein Peschkenhaus Moers (DE)
in association with Galerie Börgmann
introduction by dr. Raimund Stecker




Tales of autumn brings a selection of paintings, some of which are iconic images embedded in our mind and some of them are new, but together they create one story, one tale.
One subjective tale, inspired by truth, which refreshes our memory and creates space for interpretation and ‘new memories’ and proves the impossibility of objective memories.





Hunderte Jahre Sekündlichkeit

Die Welt wird kommuniziert durch Bilder. Wie die Welt ist, zeigen uns die Bilder von ihr. Ja, die Welt wird mehr und mehr als Welt nur bildlich wahrgenommen – und seit Jahrhunderten sogar wird Welt auf ihre Bildhaftigkeit hin gestaltet. Denn es werden Vor-Bilder entworfen, nach denen Welt gestaltet wird, damit diese für die zu „schießenden“ Bilder eben gelungene Bilder ergeben. Die Vorab-Simulationen, eigentlich Visionen, für architektonische, landschaftsgestalterische- und städtebauliche Wettbewerbe sind ohne diese gar nicht mehr denkbar. Und das hat Tradition. Das Mittelrheintal wurde pittoresk erst als Kulturlandschaft durch die Eingriffe in die Natur – durch Burgen und Kastelle, die aus Landschaft Bilder werden ließen. Die Welt existiert mithin dominierend in Bildern, als Bilder und zusehends immer mehr für Bilder.


Die Bilder von der Welt werden seit über 150 Jahren zumeist fotografiert. Und das mit stark zunehmender Tendenz in unüberschaubaren Massen. Man stelle sich nur einmal vor, jeder Mensch hätte ein Handy und machte jeden Tag nur ein Foto. In einem Jahr würde die Menge an Bildern auf der Welt um über 2.500.000.000.000 wachsen – und das nur bei einem Bild pro Tag. Die sekündlich (Synonym für in kurzen Zeitabständen) gesendeten Satellitenbilder, all die Scans und CTs und Radarfotos und Screenshots … gar nicht mitgerechnet.


O01 kaufhaus
2015, 100x150 - acryl & charcoal on canvas
- private collection


Wie umgehen mit dieser Masse an Bildern? Pieter Jan Martyn sucht Orientierung. Und das malend!
Gerhard Richter erkannte dieses Thema bereits vor Jahrzehnten. Doch ging es ihm seinerzeit offensichtlich noch weniger darum, in die Masse der Bilder Orientierung zu bringen, denn darum, das Foto überhaupt erst einmal als ein intensiv Anzuschauendes ins Bewusstsein von Betrachtern zu bringen und es in Malerei übertragen bildlich zu nobilitieren.
Für Pieter Jan Martyn scheint dieser Schritt weiterhin gültig, gleichwohl aber bereits obsolet, überwunden. Er stellt sich fraglos auch den Medienfotos. Doch was für Gerhard Richter konzeptuelle Versicherung war, ist für ihn bildliche Empathie. Schon die Frequenz seiner Bildschöpfungen legt den Schluss nahe, dass er vor allem der Masse, der Bilderflut, sich aussetzt. Und das gleichsam mit seinem Gegenstand identisch werdend: rastlos.




In der fotografierten Welt findet er seine zu malenden Motive. Es scheint für ihn keine „natürlichen“, keine noch nicht aufgefundenen, keine noch nicht Bild gewordenen Motive mehr zu geben. Zumindest interessieren sie ihn offensichtlich nicht. Stattdessen Medienbilder. Aus dem Fünfsekunden-Nachrichtenbild, aus dem Text-Beleg für eine News, aus dem bildlichen Aufflackern eines Images im raschen Vorbei generiert er seine Bildwelt. Und was bewirkt er damit? Er entschleunigt gleichsam auf hohem Beschleunigungslevel. Den verloren gegangenen und verloren zu gehenden Bildern gibt er Dauer, den festgehaltenen Anlässen sogar Nichtendlichkeit. Er überantwortet den einen oder anderen Nu unserer Zeit und Vergangenheit der Ewigkeit.

Pieter Jan Martyn malt folgerichtig. Virtuos und rasch, flüchtig und prägnant. So konserviert er, was ist und war, als Bild aber nur noch flieht. Er gibt den Phänomenen ihre Zeit zurück, den Vor-Bildern ihre Dauer, den einem oder anderen Anlass sogar einen Zeitraum Zeit, der den, den er brauchte, um sich zuzutragen, weit überlängt. Ja, die meisten Momente überlängt der Maler sogar in die Unendlichkeit. So orientiert er uns in unserer Bilderwelt. Und das malerisch. Weil diese Entschleunigung und Überantwortung von Augenblicken, Nus, in Dauer, weiterhin signifikant nur im bisweilen als anachronistisch verbrämten Medium der Malerei geht. Denn es ist, wie es mir Richard Hamilton vor seinem Screen in seinem Studio nahe Oxford sitzend und Bilder generierend einmal auf meine Frage, warum er eigentlich noch male, antwortete: painting has the biggest history, painting has the biggest future!
Raimund Stecker


S01 der rosenstrauß #2
2015, 30x40 - acryl, charcoal on canvas
- private collection
A02 der rosenstrauß
2015, 50x60 - acryl, charcoal on canvas



S01 the ulrike meinhof commando #2
2015, 50x60 - acryl & charcoal on canvas
- private collection
J02 the wound of a nation - the ulrike meinhof commando
2015, 50x60 - acryl & charcoal on canvas



A02 neu unkonventionell
2015, 30x40 - oil, pencil, acryl, charcoal on canvas
- private collection
S01 this is a political act of revengel
2015, 40x40 - acryl,charcoal & spraypaint on canvas
- private collection



A02 martyr halima
2015, 50x60 - acryl & charcoal on canvas
- private collection



O01 perücken mit baretta
2015, 100x150 - acryl & charcoal on canvas
- private collection



S01 young protest #1
2015, 30x40 - acryl & oil on canvas
- private collection



S01 young protest #2
2015, 30x40 - acryl, charcoal & oil on canvas
- private collection



S01 laura - the world from above
2015, 70x100 - acryl, charcoal on canvas
- private collection



S01 the arrest
2015, 50x60 - acryl, oil & charcoal on canvas
- private collection



S01 andreas fingerprint
2015, 70x100 - acryl & charcoal on canvas
- private collection



S01 kommando petra schelm
2015, 30x40 - acryl, charcoal on canvas
- private collection



S01 the commando of the 15th of july
2015, 30x40 - acryl & oil on canvas
- private collection



S01 S01 kommando tommy weissbecker
2015, 30x40 - acryl & charcoal on canvas
- private collection



S01 the void between words to mold an identity
2015, 50x60 - acryl & charcoal on canvas
- private collection



S01 agit 883
2015, 30x40 - pencil, acryl & charcoal on canvas











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